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Eine Geschichte aus zwei verschiedenen Blickwinkeln gesehen. Manchmal ist es gut möglich, dass zwei Menschen durchaus Deutsch, aber nicht mehr die gleiche Sprache sprechen.
L’amour est fini…
Sie erwachte vom Klicken des Schlüssels, der sich im Schloss drehte. Die linke Seite des Bettes lag immer noch so da, wie sie dort bei ihrem Einschlafen ausgesehen hatte - verwaist.
Sie würde ihn nicht merken lassen, dass sie schon wach war. Ihr Bett war warm, behaglich, doch all diese Gefühle würden sich verflüchtigen sobald sie es verlassen würde, wie es ein ums andere Mal passiert war. Wie es schon zu lange passierte. Sie vermisste diese Behaglichkeit bei ihm. Früher hätte es nie einen Ort gegeben, an dem sie sich geborgener gefühlt hätte, als in seinen Armen. Heute hätte sie es nicht mehr ertragen, wenn er auch nur versucht hätte, sie zu umarmen. Je ne peux pas adorer cet homme comme c’était rien… Je ne peux pas encore…
Zuerst glaubte sie nicht daran, versuchte seine Distanziertheit zu verstehen, wie die Lippenstiftflecken auf dem Hemd in der Wäsche. Sie versuchte zu verdrängen, dass er nach Parfum roch und schließlich nicht vor dem Morgen nach hause kam.
All das konnte sie auf die Dauer dieser jetzt schon fast zwei Monate nicht mehr übersehen. Er hatte sich so weit von ihr entfernt, dass sie aufgehört hatte, ihn zu verstehen. Sie glaubete ihn nicht mehr zu kennen. Doch ein winziges Stück Hoffnung gab es noch, dass er vielleicht doch noch zur Vernunft kommen und sie verstehen würde. Doch daran klammerte sie sich nun schon zu lange. C’est mon point de vue ce que tu ne m’adores pas encore…
Schließlich stand sie doch auf, spazierte nur mit dem Bademantel bekleidet in die Küche. Ein Strauß Blumen stand auf dem Tisch. Tulpen. Sie hatte noch nie Tulpen gemocht. Sie dachte an den wunderbaren Duft von Kornblumen. Mit Bitterkeit dachte sie, dass er wenigstens noch ein schlechtes Gewissen zu haben schien.
Er sah nicht einmal von seiner Zeitung auf, als sie sich setzte. Morgen. Gut geschlafen? Tut mir Leid… Überstunden. raunte es hinter der Zeitung hervor. Ein bittersüßes Lächeln spielte auf ihren Lippen. Hm… murmelte sie, ein eindeutiges zeichnen dafür, dass hier etwas alles andere als in Ordnung war. Alles in Ordnung mit dir? Die Frage war rein rhetorisch. Ein herz- und emotionsloser Einwurf, ein Reflex aus fast 5 Jahren Beziehung. Ja… sie ließ es so betont beiläufig fallen, dass es ihm auffallen musste. Nun ja wahrscheinlich, überlegte sie, könnte sie hier auch nackt sitzen und er würde es nicht einmal bemerken. Doch in ihrem Herz war kein Platz mehr für Hass. Abgöttische Liebe verwandelte sich in diesem Moment endgültig und unwiderruflich in Enttäuschung, Trauer und eine leise Wut. Wut darüber, dass sie sich so lange gequält hatte, sich zermürbte, immer wieder weinte bis keine Tränen mehr kamen. Zuletzt die Hoffnung nie ganz aufgab und immer mehr enttäuscht wurde. Je n’ai pas envie d’ecouter toi, raconter des bobardes à moi…
Ich gehe zur Arbeit, bis Heute Abend, kann sein, dass es wieder spät wird. Er sagte das in diesem albern unauffällig klingend wollendem Ich-habe-nichts-zu- verbergen-Ton und ging. Natürlich. Wahrscheinlich war sie hübsch, dumm, trug viel zu kurze Röcke und war mindestens 10 Jahre jünger als er. Was auch immer er von so einer wollte. Hätte sie Kraft dazu gehabt, hätte sie wahrscheinlich geweint. Je ne veux pas vivre comme ca…
Sie zog sich an, wie an jedem Tag, ging zur Arbeit, wie jeden Tag. Sie sah fertig aus, hatte dunkle Ringe unter den Augen. Trotz albern viel Schminke im Gesicht. Irgendwann beginnt die Fassade immer zu bröckeln und die würde für sie keine Ausnahme machen, das wusste sie. Sie arbeitete den Vormittag vor sich hin und war mit den Gedanken ganz wo anders. Du siehst fertig aus, du solltest etwas essen. Keine Widerrede, ich sehe doch, dass es dir schon zu lange schlecht geht. der nette Kollege, der immer freundlich war, ein guter Zuhörer. Sie überlegte zum ersten Mal, ob sie jemandem davon erzählen konnte. Danke. Sie sagte das leise, zaghaft, schüchtern, wie ein Mädchen, dass zum ersten Mal von einem Jungen ein Kompliment bekommt.
Sie gingen schweigend nebeneinander her, durch den Park. Willst du nicht reden? Wenn du alles in dich hineinfrisst wird es doch nur noch schlimmer! Irgendwas liegt dir doch auf dem Herzen, dass merke ich doch. Sie zögerte einen Moment, blieb dann stehen und setzte sich auf die Bank, er setzte sich zu ihr. Sie begann zu erzählen. Von ihrem verkorksten Beziehungsleben, ihrem Freund, der sich mit 36 immer noch zu jung für Kinder fühlte, zu jung für Verantwortung. Von dem großen Krach, seitdem sie sich so schrecklich fühlte. Von dem Kind, dass sie in sich getragen hatte. Das gestorben war. Sie sprach zum ersten Mal von dieser Kälte, der Distanz, die sich nicht wieder verziehen wollte. Sie erzählte alles, seine Unverfrorenheit, ihre durchweinten Nächte, alles.
Er hörte ihr zu, mit einer Engelsgeduld. Liebst du ihn?, fragte er. Sie überlegte, wusste es nicht, hörte in sich hinein und merkte, dass es ihr egal wurde. Dass er ihr egal wurde. Nein. Und bei diesem Wort beschloss sie ihn zu verlassen. Noch heute, bloß keine zeit verlieren. Nur weg von ihm, weg von den alten Wunden. Sie sprach ihren Entschluss aus und es klang auch aus ihrem Mund immer noch danach, ohne Wehmut. Dann geh, bring es hinter dich.
So ging sie in das Haus, das einmal ihr Zuhause gewesen war, packte Taschen und Koffer. Martin, ihr Kollege, hatte ihr angeboten eine Weile bei ihm zu wohnen. Sie hatte das Angebot zuerst nicht annehmen wollen, es aber dann doch getan. Schließlich nahm die den Lippenstift, den knallroten, viel zu knalligen Lippenstift, den er ihr zuletzt geschenkt hatte, nach dem Streit. Wie albern eigentlich. Sie musste lachen hnd fragte sich, ob das jetzt ein Neuanfang sein konnte. Auf den Spiegel im Badezimmer schrieb sie ihre Abschiedsnachricht:
Dies ist ein Abschied für immer. Ich weiß jetzt, dass wir nicht mehr zusammengehören. Ich hatte nie erwartet, dass es so kommen könnte, aber ich liebe dich nicht mehr. Das hätte ich nie von dir gedacht. Versuche nicht, mich anzurufen. Du wirst mich nicht finden. Ich will es nicht. Unser Kind ist tot.
Time to say goodbye
Why…? Just say Why my love
Dieser Streit spukte schon wieder in seinem Kopf herum, wie ein böser Fluch der an ihm klebte. Er dachte an sie. Sie, die ihm das Leben einst zum schönsten und glücklichsten auf der Welt machte. Jetzt war er zerstört. Er fühlte sich leer, eine einsame Fabrik einfach leer stehen gelassen, niemand interessierte sich. Gut, niemand war nicht ganz wahr. Aber er hatte tatsächlich fast alles verloren, dass ihm etwas wert war. Seine Mutter war vorige Woche gestorben, gestern war die Beerdigung. Sein Vater schon seit langem tot, seine liebste Kollegin, mit der er so viele Interessen geteilt hatte, würde auswandern, schon in zwei Wochen. Nach Australien. Einen Neuanfang wagen. Why do you all leave me allone???
Sie hatte ihn in den Arm genommen, weil er so traurig geguckt hatte. Und er hatte nur gesagt, dass es ihm im Moment nicht gut ginge. Mehr nicht. Jeden einzelnen Tag hatte sie ihn umarmt, jeden Tag, der ihrer Freundschaft blieb, bis sie gehen würde. Zwei, manchmal drei oder vier Mal am Tag nur um zu spüren, dass sie noch da war.
Und dann war da Melanie, die es immer schon auf ihn abgesehen hatte. Er hatte nie leugnen können, dass er attraktiv war und sie hörte ihm zu oder saß einfach schweigend neben ihm und dann plötzlich eines Tages auf dem Beribsfest, auf dass er nur gekommen war um sich abzulenken war es passiert. Dieser entsetzlich dumme fehler. Er hatte zu viel getrunken und plötzlich stand sie vor ihm, in diesem lächerlichen, viel zu engen Top und der wahnsinnig kurzen Hose. Hot Pants hieß so was, hatte sie ihm erklärt. Sie warf sich praktisch in seine Arme und am Ende der Nacht ging er mit ihr nach hause. Why did I do, what I didn’t want to?
Am nächsten Morgen wachte er auf und fragte sich entsetzt, was er getan hatte. Er ging nach hause, brachte ihr, die er immer geliebt hatte und immer liebeb würde Blumen mit. Er brachte es nicht fertig sie hinter seiner Zeitung hervor anzusehen. Sie würde es ahnen, wenn er sie ansah. Überlegen, wie man eine Entschuldigung vorbringen könnte, sich versöhenen.Aber daran war nicht zu denken. Es war nicht zu entschuldigen. Und doch fragte er sich warum sie so einen Aufastand davon gemacht hatte, dass er im Moment noch keine Kinder wollte. Er hatte es seit dem nicht verstehen können. Mit niemandem gesprochen zu haben, machte die Dinge nicht gerade leichter für ihn. Verzweiflung durchflutete ihn, wie schon so oft. Er wusste nicht weiter, nicht was er tun könnte wenn er nach hause käme und sträbte sich zum hundertsten Mal dagegen länger bei der Arbeit zu bleiben nur um nicht diese Stille aushalten zu müssen. Why did it come so?
Schließlich kam er nach hause und merkte schon beim Betreten, dass etwas anders war als sonst. Im Schlafzimmer stand der Schrank offen, ihre Sachen fehlten, nein nicht alle. Nicht alle. Er betete, dass sie nicht gegangen war. Nur das nicht. Ihr Kleid hing dort. Das Kleid, dass sie an dem Abend getragen hatte an dem sie sich kennen gelernt hatten. Sonst nichts. Er wollte weinend vor dem Kleiderscharank zusammensinken, er wollte sein unnutzes Leben wegwerfen, es beenden. Can’t live like that.
Er wankte halb blind von Tränen ins Badezimmer und las die Innenschrift des Spiegels. Es kam ihm vor als stäche ihm ein Messer in die Brust, als schlüge ein Blitz hinein. Alles verging ihm und er brach auf dem Boden zusammen und weinte. Weinte so lange, wie sie es einst getan hatte. Doch das wusste er nicht. Sie war schwanger gewesen. Deshalb die Frage nach Kindern. Und er, elender Dummkopf hatte alles zerstört. Sie musste das Kind verloren haben, wegen der Aufregung. Er wusste nicht ob er auch nur annähernd in Worte fassen konnte,wie schlecht er sich fühlte. Wie wenig wert zu leben. Er stand auf und ging in die Küche, nahm das Küchenmesser und ließ im Bad die Wanne vollaufen, voll mit warmem Wasser. Er nahm ihren Badezusatz, den sie anscheinend vergessen hatte und roch daran. Er dachte daran, wie sie jedes Mal nach dem Bad gerochen hatte. An die Zeiten in denen sie sich nah waren. Die Zeit, in der sie sich das erste Mal geküsst hatten und schließlich hatte dies alles so enden müssen. Es stand ihm klar vor den Augen. Er holte das Kleid und legte es im Bad auf den Fußboden. Immer noch hielt er das Messer in der Hand. Immer noch gab es in ihm diesen einen Wunsch. Dieses Leben zu beenden. Dieses Leben in dem er alles verloren hatte bis auf seine große Liebe. Seine große Liebe die ein Kind bekommen hätte. Und die hatte er aus Dummheit, aus menschlichem Vehlverhalten jetzt auch verloren.
No my life is over.
Er setzte sich voll bekleidet in das warme Wasser und schnitt in seinen Arm, so tief, dass er den Schmerz schon nach kurzer zeit nicht mehr fühlte. Schnitt auch die andere Seite und wurde ohnmächtig. Einige Minuten später war er tot. Ertrunken in dem Badewasser, dass ihn an den einzigen Menschen erinnerte, der ihm noch etwas bedeutete.
HotfridgeXXL - Mo, 21:00